Nils Stellte

Sicherheit garantiert durch eine staatliche Institution bedeutet immer auch eine unbeachtete Ordnung, denn meistens fungiert der Staat in seinen Organen im Hintergrund. Doch was geschieht, wenn diese Organe nicht mehr funktionieren? Schlimmer noch: was geschieht, wenn der Unglaube an die Sicherheit des Staates und damit auch der Eigenen denselben untermauert? Wenn die staatliche Integrität nicht mehr sicher ist?  Nils Stelte, Fotograf und Soziologe sucht in aktuellen politischen Entawicklungen die Visualisierung von Sicherheit; in der Serie „InSecurity“ vor dem Hintergrund ansteigender Terrorgefahr.

Was verkauft uns das Wort Sicherheit? Sicherheit bedeutet für jeden etwas Anderes. Aber für viele bedeutet Sicherheit, die Gewissheit, durch den Staat geschützt zu werden. Den Schutz vor Terror, Gewalt und Unterdrückung. Dieser erfolgt in Deutschland unter anderem durch eine anscheinend funktionierende Exekutive, sowie eine strenge Reglementierung, was den Besitz von Waffen betrifft. Diese Faktoren machen Deutschland zu einem sicheren Land. Sicherheit ist die Wahl, die jedem Menschen in Deutschland gegeben wird. Vielen steht es frei zu wählen, wo sie wohnen und mit wem sie sich umgeben. Sobald man aus dem Haus geht, die Ampel bei grün übertritt, jegliche Begrenzungslinien nicht überschreitet ist man sicher. Eine unbeachtete Ordnung, der wir uns tradiert unterstellen. Die vermeintliche Sicherheit in Deutschland entsteht dadurch, dass sich alle Menschen an die Gesetze halten, die vom Rechtsstaat vorgegeben werden. Doch in Zeiten höchst komplexer Konflikte sehnen sich einige Menschen nach simplen Lösungen. Wenn man Probleme hat, die der Rechtsstaat nicht zu lösen scheint, warum sollte man sich ihm dann unterwerfen und sich an seine Regeln halten? Mit dem Verlust des Glaubens an die Richtigkeit der Regeln des Staates, bröckelt die Sicherheit desselben. Natürlich sind Polizisten bewaffnet aber, wenn man den Umstand betrachtet, dass es in Deutschland nur in äußersten Extremsituationen zu dessen Nutzung kommt, rückt dessen Macht schrittweise in den Hintergrund. Wie lange verbindet der gegenseitige Glaube an diese mechanischen Erweiterungen der Friedenserhaltung, Zivilisten und Ordnungshüter noch? Wenn man jetzt aber die Straßen von Rio, Mexico und heute sogar Istanbul zum Beispiel nimmt, welche von Korruption und staatlicher Unterdrückung durchzogen sind, stellt Gewalt für viele längst keine Besonderheit mehr dar. Wir sind an sie gewöhnt, zumindest, wenn sie nicht vor unserer Haustür passiert. Wir sind gierig nach Gewalt. Viele schalten abends die Tagesthemen an oder schauen nach der zwanzigsten Push-Nachricht auf dem Smartphonedisplay, im Wissen es ist wieder etwas „Wichtiges“ passiert. Häufig ist dieses „Wichtige“ eine Ausprägung von Gewalt. Wir glauben an den Lauf der Dinge und lassen uns von ihnen berieseln. Ganz erschüttert reden wir mit Kommilitonen, Kollegen, Freunden und Verwandten über die unfassbaren Zustände und widmen uns im nächsten Moment wieder Instagram, Ebay oder einem leckeren Avocadotoast. Sofern Gewalt im Ausland stattfindet, bei dem Gedanken ertappen sich vermutlich einige, ist dies verdrängbar. Aber mit Situationen, wie der in Berlin 2016, kann man sich dem nicht mehr entziehen. Was passiert also, wenn unser Rechtsstaat gerade durch die unterschwellige Angst unterwandert wird, dass eben dieser nichtmehr die gewohnte Sicherheit bieten kann? In Zeiten in denen die Politik zunehmend von Populisten befeuert wird und diese auch noch von „Protestwählern“ Zustimmung bekommen. Wer sagt, dass die Exekutiveorgane unseres Landes nicht von leichtfertiger und roher Gewalt, sei es von rechts oder links, überrannt werden können?