Maximilian Mann

Wer ein Bishnoi Dorf in der Thar-Wüste sucht, braucht nur den Spuren der sonst so scheuen Gazellen folgen. Sie wissen, dass ihnen in der Nähe der Hütten keine Gefahr droht. Im Gegenteil: hier werden sie verpflegt und gefüttert. Der Grund dafür liegt etwa ein halbes Jahrtausend zurück: Während einer schlimmen Dürre im 16. Jahrhundert beginnt die Geschichte der Bishnoi.

Guru Jambeswar zog sich zum meditieren in die Wüste zurück und verfasste daraufhin 29 Regeln, die das Zusammenleben unter den Menschen mit der Natur verbessern sollte. So kam auch der Name der Gemeinschaft zustande: „Bish“ bedeutet 20 und „noi“ neun - Bishnoi. „Töte niemals ein Tier, egal wie klein es ist“, lautet eine seiner Regeln, eine andere besagt: „Fälle niemals einen Baum.“ Streng halten sich die meisten der etwa 500.000 Bishnoi bis heute an diese Regeln. So werden die heiligen Feuer nur am Tag entzündet, weil nachts Insekten darin sterben könnten. Und die Rinder werden so lange gepflegt, bis sie eines natürlichen Todes streben. Die Thar Wüste, nicht weit von der Grenze zu Pakistan, ist alles andere als paradiesisch. Regen fällt nur selten, die Temperaturen klettern oft bis auf 50 Grad Celsius. Auf den trockenen Feldern reift der Weizen trotz mühsamer Arbeit nur langsam heran. Eingezäunt sind die Felder trotzdem nicht, damit auch die wilde Tiere einen Teil der Ernte holen können.

Doch die Gemeinschaft der Bishnoi befindet sich im Umbruch. Immer mehr Fabriken verdrängen die Natur in der Thar Wüste. Und während die älteren Frauen und Männer mit ihren traditionellen Kleidern die Gazellen füttern und sich um den Hof kümmern, ziehen viele Jugendlichen in die großen Metropolen des Landes. Das Leben der Großeltern wird ihnen immer fremder.