Jann Höfer

Die Colonia Dignidad war eine Sekte, deren Vorläufer 1954 in Siegburg von Paul Schäfer hauptsächlich dafür gegründet wurde, dass er seine pädophilen Neigungen ungestört ausleben konnte. Als der Druck auf ihn zu groß wurde, floh er mit seinen Anhängern nach Chile und gründete dort Colonia Dignidad – die Kolonie der Würde. Dort etablierte er ein System aus Folter, Unterdrückung und absoluter Kontrolle, welches er viele Jahre aufrecht erhalten konnte. Jann Höfers Serie dokumentiert die verwirrende Umnutzung grausamer Spuren der Vergangenheit.

Die Geschichte von Colonia Dignidad beginnt im Jahre 1954, in welchem der Jugendpfleger Paul Schäfer, der spätere Anführer der Sekte, den ersten Vorläufer dieser gründet: die „Private Soziale Mission“. Dieses staatlich anerkannte Kinder- und Jugendheim entsteht zusammen mit Hugo Baar, einem aus der Gronauer Baptistengemeinde ausgeschlossenem Prediger, in Siegburg. Das Erziehungsheim beherbergt vor allem die Kinder der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde. Als sich Paul Schäfer einige Jahre später von dieser trennt, schließen sich ihm über ein Drittel der Paare an.Der sexuelle Missbrauch der Kinder, ausschließlich Jungen, beginnt bereits in den ersten Jahren in Siegburg. Es gelingt Paul Schäfer ein System zu entwickeln, welches ihm ermöglicht seine pädophilen Neigungen ausüben zu können. Unter anderem fordert er im Rahmen einer Zwangsbeichte, dass jeder intime Gedanke bis ins kleinste Detail offen gelegt wird, was ihm eine Art Allmacht über seine Anhänger verleiht. Als er 1961 in Siegburg die Fälle zweier Vergewaltigter Jungs bekannt werden, taucht er sofort unter und flieht mit seinen mittlerweile etwa 200 Anhängern nach Chile, welche er mit einem „urchristlichen Leben im Gelobten Land“ lockt. Durch die Verunsicherung der Menschen in der Nachkriegszeit und die angebliche baldige Invasion der Kommunisten, ist es für Schäfer ein leichtes Spiel bei seinen Anhängern die Zustimmung für sein Vorhaben zu erlangen. Diese stammen meist aus sozial schwachen Teilen der Gesellschaft und lassen sich leicht manipulieren. Das Haus der „Privaten Sozialen Mission“ verkauft Paul Schäfer für 900 000 DM an die Bundeswehr. Darüber hinaus zwingt er seine Anhänger ihren privaten Besitz zu verkaufen und ihm den Erlös zu überschreiben.

In Chile kauft Schäfer ein entlegenes Stück Land ca. 400 km südlich von Santiago de Chile. In den Anfangsjahren entstehen Wohngebäude, Wege, eine Mühle und ein Krankenhaus. In dieser Zeit entsteht auch der Name „Colonia Dignidad“ („Kolonie der Würde“). Gleich nach Eintreffen der Sekte beginnt Schäfer sein System zu etablieren. Zunächst werden seine Anhänger gezwungen, ihre Besitztümer und Kleidung abzugeben. Familien und Ehepaare werden getrennt und in Jungen-, Männer-, Mädchen- und Frauenhäusern untergebracht. Die Anhänger müssen ab dem ersten Tag unentgeltliche Arbeit unter sklavenähnlichen Bedingungen verrichten, wie beispielsweise das gekaufte Land, ein ehemaliges Flussbett, von Steinen zu befreien, um es nutzbar zu machen. Die Arbeitszeiten gehen vom Morgengrauen bis zur Dämmerung und es gibt kaum Pausen. Die Arbeit hat oberste Priorität und ist wichtiger als Schule und Gebet – nur an regnerischen Tagen dürfen die Kinder der Colonia Dignidad die Schule besuchen. Sobald es das Wetter zulässt, müssen sie produktiv werden. Die Arbeit wird überwacht. Jedes kleine Ausruhen oder Verharren wird mit Schlägen und Entzug des stark rationierten Essens [...]