Phillipp Engelhorn

Voodoo – Basis für viele Mythen und Filme. Dem unliebsamen Kollegen, den penetrant langsamen Beamten oder der gereizten Nachbarin etwas Unglück beschaffen – dies und vieles Andere wird mit diesem Kult verbunden. Die Ursprünge sind jedoch vielmehr von der eigenen Einstellung im Leben abhängig und bestanden bereits im Jahr 500 v. Chr. Was genau man von diesem Glauben erwarten kann und wie dieser sich entwickelt hat wird auf den nächsten Seiten thematisiert.

Voodoo - Uralte Religion und moderner Mythos

Heiltränke, Tieropfer, Tarotkarten,Zombies und Besessenheit, sowie Püppchen, die man stellvertretend für einen Widersacher mit Nadeln quälen kann – so präsentiert sich der Glaube des Voodoo in der heutigen Zeit. In „occult shops“ in der Hochburg des Voodoos, New Orleans im amerikanischen Louisiana, können Touristen Liebestränke kaufen, oder ihre eigene Voodoo-Puppe spirituell segnen lassen. Unterstützt durch moderne Medien wie Filme, Serien oder Romane hält sich so das fälschliche Bild des uralten Glaubens. Denn Voodoo, oder Vodun gibt es nachweislich schon seit ca. 500 v. Chr. und entstand ursprünglich im westafrikanischen Nigeria – und Voodoo-Puppen gab es auch nicht.

Die Ursprünge des Voduns in Westafrika

Das Wort Vodun (oder Voodoo) leitet sich aus dem Wort für Geist oder Gottheit aus der westafrikanischen Sprache Fon ab. Rund 200 bis 500 v. Chr. trafen auf dem Gebiet des heutigen Nigeria zwei Kulturen zusammen: Die Völkergruppe der Yoruba, welche von Ägypten aus kamen, verschmolzen so mit dem Nok-Clan. Dies gilt als die Geburt des Vodun Glaubens, welcher stark von dem König Oduduwader Yoruba geprägt wurde. Das ursprüngliche Vodun wird heute noch in den Gebieten Benin, Ghana und Togo praktiziert und hat sich in über 2500 Jahren nicht stark verändert. Durch die Verschmelzung der Völkergruppen der Yoruba und der Nok, sowie durch weitläufige Feldzüge der Yoruba, beinhaltet das Voodoo vielfältige afrikanischen, islamischen, katholischen und auch indianischen Elemente.

In Westafrika gibt es zahlreiche Ausprägungen des Glaubens, jede Glaubensgruppe verehrt unterschiedliche Gottheiten. So wird zum Beispiel an der Küste Nigerias die Göttin Mami Wata verehrt, die halb als Nixe, halb als Mensch dargestellt wird. Am 21. Dezember jeden Jahres wird in Aneho ein großes Mami-Wata-Fest gefeiert, zu dem viele Tausende Anhänger pilgern. In einer aufwendigen Zeremonie stürzen sich die Voodoo-Priester, welche bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich Frauen sind, in die Fluten des Atlantiks. In Trance versuchen sie so Kontakt zu der im Wasser lebenden Gottheit aufzunehmen und Glück und Erfolg für das kommende Jahr zu sichern. Oft müssen die teilnehmenden Priester von beistehenden Fischern bewusstlos aus den Fluten gezogen werden. Ausübung des Voduns im heutigen Benin

Benin, mit der Hauptstadt Porto-Novo gilt in Westafrika als Hochburg des Voodoos, so werden nirgends sonst im Land so viele spirituelle Feste gefeiert. Neben Benin ist Haiti das einzige Land, in dem Voodoo eine staatlich anerkannte Religion darstellt (neben dem Christentum und dem Islam). So gilt seit 1996 jeder 10. Januar eines Jahres als offizieller Voodoo-Feiertag, damals eingeführt von dem Beniner Präsidenten Nicéphore Dieudonné Soglo. Durch die Erhebung des Glaubens zu einer anerkannten Religion dürfen Anhänger des Voodoos Taufen durchführen, Ehen schließen und Begräbnisse leiten. Eine geschlossene Glaubensgemeinschaft gibt es nicht, vielmehr verehrt jede Gruppe, dies können ein Dorf, eine Gemeinschaft oder eine Familie sein, eine eigene Tradition, eine heilige Figur oder einen Loa. Grundsätzlich baut sich Voodoo rund um die Verehrung der Loa, also einem Gott oder göttlichen Wesens, Glaube an ein Orakel, Widergeburt und um Ahnenverehrung auf. Im Voodoo glaubt man an Widergeburt nach dem Tod und an „Karma“. So kann ein Mensch, hat er ein gutes Leben geführt und sich rechtschaffend verhalten, zum Loa aufsteigen. Damit bekommt er die Möglichkeit die Welt zu beeinflussen und erhält Macht und Ansehen. Lebte ein Gläubiger ein eher durchschnittliches Leben, so wird er erneut als Mensch geboren und hat wiederholt die Möglichkeit „gutes Karma“ zu sammeln, ihm stehen alle Möglichkeiten offen. War ein Mensch jedoch nicht gut in seinem Leben, wird er von den Loas bestraft. Dies kann sich durch körperliche, oder geistige Behinderungen äußern, was im Voodoo-Glauben aber eher für leichte Vergehen im Vorleben spricht. Schwere Verstöße hingegen werden durch Unglück, Krankheit oder durch die Wiedergeburt als Tier bestraft. War ein Gläubiger besonders schlecht, hat die Götter nicht geehrt, hat seine Mitmenschen betrogen oder seine Familie verraten, kann er als Diab wiedergeboren werden. Diabs sind dämonische Wesen, die nur danach trachten den Lebenden zu schaden oder sie zu besessen. Jeder Loa und jeder Diab hat unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeiten,  dies beinhaltet Stärken und Schwächen, bestimmte Eigenheiten und Launen. Im Gegensatz zu dem christlichen Gott, haben Loas und Diabs menschliche Charakterzüge – sie können gut gelaunt, wütend oder auch beleidigt sein. Ein schlecht gelaunter Diab kann in einen Menschen fahren, um ihn psychische und physische Qualen erleiden zu lassen. Wird ein Mensch jedoch, zum Beispiel in Rahmen einer Zeremonie, von einem Loa besessen, so wird dieser verehrt und häufig von Gläubigen während der Trance befragt. Der Besessene gilt in diesem Moment als Verkörperung Gottes. Er bleibt den Rest seines Lebens spirituell mit der Gottheit verbunden. 

Voodoo-Tempel

Gotteshäuser im Voodoo bestehen in Form von Tempeln. Diese sind immer einer Gottheit, oder einem Dämon geweiht. Sie werden für Rituale genutzt und sind ein Ort für Gebete und Opfergaben. Viele der Tempel in Benin sind dem Loa Dan geweiht. Sein Symbol ist die Schlange, welche für den ständigen Kreislauf des Lebens und der Erneuerung steht. Dieser Symbolismus ist aus vielen Religionen bekannt, wie z.B. die Weltenschlange in der nordischen Mythologie. Die dem Gott Dan geweihten Tempel sind häufig von Schlangen bevölkert.

Magie und Rituale

Voodoo wird immer wieder mit schwarzer Magie, sowie Menschenopfer in Verbindung gebracht. Diese Vorstellung wurde durch den Glauben an Wiedergeburt, sowie die Riten des Totenkultes genährt. Jedoch spielen Menschenopfer im praktiziertem Voodoo keine Rolle, es werden aber für verschiedene Rituale Tiere, häufig Hühner oder Ziegen, geopfert und den Göttern als Gabe dargebracht. Oft geht es dabei aber nur um spirituelle Ernährung der Loa, so kann das Tier nachher als Nahrung für die Gläubigen dienen. Für viele Zeremonien sind verschiedene Kräuter, geschnitzte Figuren der Gottheiten oder Dämonen, Teile von Tieren, wie Fell, Knochen, Zähne oder Krallen, sowie Genussmittel wie Alkohol oder Tabak von Nöten. Diese Mittel lassen sich auf so genannten Fetischmärkten erwerben. Häufig finden diese in Nachbarschaften von wichtigen Voodoo-Tempeln, sowie den Häusern von Priestern statt. Fetischmärkte stehen jedoch verstärkt unter Kontrolle der Behörden, da der Verkauf von illegal gejagten Wildtieren, sowie bedrohter Arten verhindert werden soll.

Wie in vielen anderen Religionen, können im Voodoo Gläubige, sowie Priester versuchen ihre Rituale und Zeremonien zu Schadenszwecken abzuhalten. Man nennt sie in der Sprache Fon dann „Bokor“, die stehen im Gegensatz zu den „Houngan“. Houngan sind Voodoo-Priester, die solche Praktiken aus moralischer Sicht ablehnen. Priesterinnen werden „Mambo“ genannt. Ein bekannter, meist übertrieben dargestellter Brauch ist der der Voodoo-Puppen. So werden dabei Puppen aus Stroh oder ähnlichem gebunden, auf dem Kopf wird ein Foto der betreffenden Person geklebt. Diese Puppen können nun mit Nadeln durchstochen, verbrannt, gequält oder verflucht werden. Diese Technik hat im echten Voodoo keinen Platz, sie entstand durch ein Missverständnis. Gläubige des Voodoos, die als Sklaven nach Amerika verkauft wurden, durften ihre Religion nicht praktizieren. So war es unmöglich die so wichtigen, aus Holz geschnitzten Götterfiguren herzustellen. Man bastelte anstelle aus Stroh und Lumpen Figuren, die bei Verdacht als Puppen getarnt wurden.

Wie Voodoo nach Amerika gelangte

Beschäftigt man sich heute mit dem Glauben des Voodoo, so kommt man nicht an New Orleans und den dortigen Voodoo-Kult vorbei. Durch den im 16. Jahrhundert einsetzenden atlantischen Sklavenhandel, wurden Menschen aus Afrika durch Handelsschiffe nach Nord- und Südamerika und in die Karibik transportiert, um dort als Sklaven verkauft zu werden. So verbreitete sich der Glaube besonders in den Küstenstaaten Nordamerikas, wie Texas, Alabama und auf den Karibischen Inseln. Es war Sklaven nicht gestattet ihre Religion auszuüben, so überlebte das Voodoo im Verborgenen.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde im French Quarter in New Orleans, welches später zum absoluten Brennpunkt der Voodoo-Szene wurde und sich bis heute hält, Marie Laveau geboren. Sie arbeitete als Frisörin und besuchte, obwohl sie selbst gemischter Abstammung war, fast ausschließlich die Häuser weißer Kundinnen. Sie kam dort in Kontakt mit den schwarzen Angestellten, was ihr Interesse an Voodoo weckte. Voodoo-Anhänger mussten jedoch mit Verfolgung durch die katholische Kirche rechnen, da sie als Teufelsanbeter bezeichnet wurden. Marie Laveau reagierte darauf, indem sie „ihr“ Voodoo mit Katholizismus mischte und erklärte, ihre Anhänger seinen ebenfalls Christen. Sie veranstaltete Zeremonien frei von für Christen schwer verständliche Anteile, wie Blutopfer oder Anbetung von Tiergestalten. Im 19. Jahrhundert galt Marie Laveau als eine der einflussreichsten Personen in New Orleans und bis heute gilt sie als Begründerin des Voodoo-Glaubens in Nordamerika.

Modernes Voodoo in New Orleans

Das durch Marie Laveau bekannt gewordene French Quarter beherbergt dutzende Occult Shops, die sowohl für Anhänger des Voodoos, als auch für Touristen eine Anlaufstelle bieten. Neben dem Verkauf von Kerzen, Kräutern, Tinkturen oder magischer Gegenständen werden häufig auch Handlesen, Tarotkartenlegen, oder spirituelle Reinigungen angeboten. Mit den Fetischmärkten in Westafrika sind sie natürlich nicht zu vergleichen. Vielerorts trifft man auch auf die bekannten Voodoo-Püppchen. Wo die Touristenspots auch Puppen im Set mit Nadeln oder ähnlichem verkaufen, findet man in den authentischeren Shops Figuren und Püppchen, die sich stärker an dem ursprünglichen Voodoo anlehnen. So gibt es Figuren die die Empfängnis eines Kindes fördern sollen, die Gesundheit eines geliebten Menschen steigern sollen, oder welche die Glück, Erfolg oder Reichtum bringen. Sie fungieren als Glücksbringer oder Totem. Viele Shops haben sich alleine auf positive Energien oder weiße Magie beschränkt, was im Kontrast zum durch die Medien geprägten Bild des Voodoos steht.